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Kein sicherer Maßstab, um loyale Moslims von fanatischen zu unterscheiden?

Eines sei gleich vorneweg gesagt, an einer Kritik der diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Präventionslogik fehlt es in dieser Partnerschaft völlig. Als Begründungen für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen werden die Ängste in der Bevölkerung und der Wille, dem Sicherheitsempfinden der „Verängstigten“ gerecht zu werden, angeführt. Die kritische Hinterfragung dieser Ängste oder die Frage, ob denn nicht gerade die exzessiven und abstrakten Bedrohungsszenarien dem Sicherheitsempfinden schaden, bleiben außen vor.

Screenshot Sicherheitspartnerschaft

Bei der Lektüre von Levent Tezcans „Das muslimische Subjekt“ hat mich eine Passage ganz besonders an eine aktuelle Debatte erinnert. Erst einmal die Textpassage aus Tezcans interessantem Werk und im Anschluss einige Gedanken dazu. In einem Kapitel zitiert Tezcan zur Veranschauung immer wieder aus Papieren der Kolonialkongresse Anfang des 20. Jahrhunderts.

An einer Stelle heißt es:„Das wichtigste Problem, das gegenwärtig wieder debattiert wird, besteht, wie Axenfeld schon 1910 erläutert, aber darin, dass es »keinen sicheren Maßstab [gibt], loyale Moslims von fanatischen zu unterscheiden, und kein sicheres Mittel, die ersteren loyal zu halten« Axenfeld selbst geht soweit zu sagen, dass »die illoyalen die konsequentesten Moslims« seien“.

Erinnert hat mich dieser Vorwurf zum einen an länger zurückliegende Debatten in der „Deutschen Islamkonferenz“, noch mehr jedoch an aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik.

Im Bereich der Sicherheitsdebatten sehen sich Muslime immer wieder mit kritischen Forderungen nach einem mehr an Konformität konfrontiert. Die Kritik von muslimischer Seite an einem Sicherheitsparadigma, das Muslime und den Islam unter dem Vorzeichen der Gefahrenabwehr behandelt, verhallt jedoch meistens ungehört.
Stattdessen übernehmen sogar die Betroffenen selbst den Begriffsrahmen, der von den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der Verallgemeinerung „Islamismus“ gesetzt wird. Die grundlegenden Bewertungen und Vorgaben zur Gefährdungslage werden dabei mit übernommen.

Ein Beispiel für diese Form der Konformität stellen die “vertrauensbildenden Maßnahmen” zwischen einigen muslimischen Gemeinschaften, dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz dar. Diese Initiative besteht zwar noch weiter, ist aber mittlerweile mit der Neuausrichtung der Deutschen Islamkonferenz (DIK) quasi in einer breiteren Sicherheitspartnerschaft aufgegangen, die ihre Arbeit nun unter Einbeziehung von mehr Partnern weiter fortführt.

Eines sei gleich vorneweg gesagt, an einer Kritik der diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Präventionslogik fehlt es in dieser Partnerschaft völlig. Als Begründungen für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen werden die Ängste in der Bevölkerung und der Wille, dem Sicherheitsempfinden der „Verängstigten“ gerecht zu werden, angeführt. Die kritische Hinterfragung dieser Ängste oder die Frage, ob denn nicht gerade die exzessiven und abstrakten Bedrohungsszenarien dem Sicherheitsempfinden schaden, bleiben außen vor.

Welches Ausmaß an Konformität diese Initiativen gerade von den beteiligten muslimischen Gemeinschaften abverlangt, wird aus den Verlautbarungen und Publikationen der staatlichen Seite deutlich. Nicht nur, dass ihnen nicht einmal ihr Selbstverständnis als Religionsgemeinschaften zugestanden wird und sie nur als Verbände angesprochen werden, auch müssen sie akzeptieren, dass sie eigentlich auch ein Teil der Gefahr sind. In einem interessanten und erhellenden Statement gegenüber der FAZ Ende April 2009 machen die staatlichen Partner der „vertrauensbildenden Maßnahmen deutlich, dass „intern zu den Erfolgen der Kooperation die Tatsache gezählt [wird], dass nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden derzeit keine unmittelbare Terrorgefahr aus dem Umfeld von Moscheen und muslimischen Predigern in Deutschland ausgeht.“1

Statt das Fehlen einer konkreten Gefährdungslage als Normalzustand anzusehen, wird das Vorhandensein dieser Situation auf den Erfolg der Kooperation zurückgeführt. Vertrauen gegenüber den muslimischen Partnern – Fehlanzeige. Eher wird der Eindruck erweckt, die beteiligten muslimischen Partner müssten wohl in die Radikalität abdriften, würden sie nicht von den Sicherheitsbehörden in einem Zustand der “Konformität” gehalten.

Vor dem Hintergrund der problematichen Selbstverortung der beteiligten muslimischen Partner verwundert es nicht, wenn diese in der nun angelaufenen Sicherheitspartnerschaft gegenüber anderen muslimischen Gemeinschaften das Paradigma der Sicherheitsbehörden übernehmen und stützen. So gehört zum Öffentlichkeitskonzept der Sicherheitspartnerschaft auch eine Webseite (http://www.initiative-sicherheitspartnerschaft.de), die sowohl über die Sicherheitspartnerschaft, als auch über das Gefährdungspotential von vermeintlich “islamistischen Gruppen” informieren soll.

Über dort publizierte Beiträge mussten sich die beteiligten Gemeinschaften als Partner und Träger der Sicherheitspartnerschaft öffentlich unter anderem die Bewertung zu Eigen machen, bei der IGMG und der IGD würde es sich um islamistische Organisationen handeln. Pikant an der ganzen Geschichte: fast alle an der Sicherheitspartnerschaft beteiligten Gemeinschaften sind außerhalb des Sicherheitsdiskurses langjährige Kooperationspartner der IGMG und sitzen in zahlreichen Gremien IGMG-Vertretern gegenüber oder mit ihnen zusammen. Die IGD ist zudem auch noch Mitglied eines der Sicherheitspartner.

Dennoch hat es Monate gedauert, bis die Partner das BMI dazu bewegen konnten, zumindest die offensichtlichsten Beiträge von der Webseite zu entfernen. An ihrer Mitwirkung an der Sicherheitspartnerschaft und an der Grundausrichtung der Webseite, die nur noch ein rein spirituelles Islamverständnis als noch verfassungskonform ansieht, hat sich jedoch bisher nichts geändert.

Wie sagte schon Axenfeld, am „konsequentesten“ sind wohl immer noch die vermeintlich „illoyalen“.

  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.04.2009, Beitrag auf Seite 2 „Lob für Dialog mit Muslimen” []

3 Antworten auf „Kein sicherer Maßstab, um loyale Moslims von fanatischen zu unterscheiden?“

Hmmh…
Mir schwirrt die ganze Zeit die eine Frage im Kopf herum, die dieser Text nicht beantwortet…

Warum sich das die Verbände, die als “islamistisch” bezeichnet werden, solches Verhalten und solch einen Blödsinn von den anderen Verbänden gefallen lassen.

Ist es nicht paradox, dass man mit solchen unfähigen muslimischen Verbänden trotzdem kooperiert und zusammensitzt, anstatt die nötigen Konsequenzen zu ziehen und die Arbeit mit diesen Leuten einzustellen, damit die auch selbst sehen können, wo sie bleiben???

Warum ist man so blöd und füttert die Mäuler, die sich später ihre Mäuler über die Institution oder Religionsgemeinschaft zerreißen?

Die Frage ist berechtigt. Und ich denke, jede/r der in den Prozess eingebunden ist, dürfte sich diese Frage von Zeit zu Zeit immer wieder stellen (immer wieder gerne auch in der Form, warum man sich das eigentlich antut). Dennoch denke ich, dass die Antwort darauf nicht so einfach ist.

Ich gehe zum einen davon aus, dass die an solchen Sicherheitspartnerschaften Beteiligten dies in der Regel gerade nicht aus Überzeugung tun. Sie beugen sich nach eigener Vorstellung einer Zwangsmäßigkeit. Sogar die Intention, zumindest das Schlimmste durch Mitwirkung verhindern zu können, dürfte bei dem Einen oder Anderen eine Rolle spielen.

Die Kooperation einzustellen würde wohl auf der emotionalen Ebene etwas Genugtuung bringen, auf der anderen Seite aber wiederum gerade diesem Sicherheitsparadigma in die Hände spielen. Dieses setzt nämlich auf die Wirkmächtigkeit ihrer Ausgrenzungsmechanismen und die Übernahme dieser Befindlichkeiten durch die muslimischen Partner. Ich denke, dass auch auf Seiten der Sicherheitsbehörden eine gewisse Irritation vorherscht, warum ihre eigenen Partner denn immer noch mit den “bösen Jungs” spielen (auch dies ein weiteres Zeichen für die völlige Ignoranz gegenüber den Befindlichkeiten innerhalb der muslimischen Community von Seiten der politischen Verantwortungsträger).

Die Herausforderung hinsichtlich der rechtlichen und gesellschaftlichen Integration der Muslime in Europa ist sehr groß und eine gemeinsame muslimische Aufgabe. Eigenbrötlerei führt am Ende nur dazu, dass man sich vielleicht in wenigen speziellen Bereichen Fortbewegt, am Ende die muslimische Community nicht viel davon hat. Es stehen zu viele Aufgaben vor uns, die nur gemeinsam angegangen werden können. Dass es bei dem einen oder anderen Akteur noch an dem notwendigen Bewusstsein dafür fehlt? Darüber kann man sich entweder nur ärgern, oder zumindest im Dialog und in der Kooperation versuchen, dies weiterzuvermitteln.

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